Alleine die Qualifikation für die Jugendweltmeisterschaften in Den Haag war für uns ein riesiger Erfolg und etwas womit wir Anfang des Jahres gar nicht gerechnet haben. Die Tür dazu öffnete sich, als wir im April unseren ersten Sieg bei einer internationalen Regatta feiern konnten. Nach dem Sieg beim Lupo Cup am Gardasee, mussten wir noch einmal bei der YES-Regatta in Kiel gut segeln. Durch einen leider hohen Streicher und einen unglücklichen UFD bei der zweiten Qualifikation in Kiel lief es erst einmal nicht so gut. Doch unseren direkten Kontrahenten um den Startplatz ging es ähnlich und wir konnten am letzten Tag noch alle von ihnen im Ranking überholen. Damit war die Teilnahme an diesem einmaligen Event gesichert und die Freude groß.
Die Anreise ging für uns über den Olympiastützpunkt in Kiel mit dem DSV. Wir waren mit dem DSV-Bus, unserer Trainerin Silke Basedow und der ILCA Seglerin Amaya Escudero unterwegs. Dass das Event von vorne bis hinten durchgeplant war, hat man bei unserer Ankunft schnell gemerkt. Alle Athleten waren in einem Bungalow-Park untergebracht und es gab nicht nur immer sehr gutes Essen vor Ort, sondern auch sehr viele sportliche Aktivitäten, die man neben dem Segeln ausüben konnte. Von Minigolf über Fußball bis Tennis war alles dabei. Leider konnten wir entgegen der Zusage im Vorhinein nicht auf unserem eigenen Material das Revier testen und dort trainieren. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hätten wir das Training echt gebrauchen können. Aufgrund der sehr schwierigen Gezeitenströmungen ist es mit Abstand das komplexeste und schwierigste Revier auf dem wir je gesegelt sind. Dazu später mehr.
In der trainingslosen Woche ging die Zeit dann aber doch recht schnell rum, denn mit den Seglerinnen und Seglern aus den anderen Bootsklassen 29er, ILCA, IQfoil, FormulaKite und unserem weiblichen 420er Team hatten wir ein paar sehr schöne Tage. Wir waren Wellenreiten, sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs und haben leider nicht viel vom Revier gesehen, dafür aber umso mehr an Land.
Da die Regatta nicht auf dem eigenen Material gesegelt werden darf, gibt es den Tag der Materialausgabe, an dem man das gestellte Boot und Rigg in Empfang nimmt und von Grund auf zusammenbauen muss. Trimmen muss man sowieso und da sich das Herren und Damenteam ein Boot teilt, muss man diese Trimms also für zwei verschiedene Crews anpassen. Dass wir einen Gewichtsunterschied von 15 Kg hatten, hat die Sache nicht einfacher gemacht. So waren wir fast einen ganzen Tag damit beschäftigt unser Boot Regatta kompatibel zu machen und alles richtig einzustellen. Es sei dazugesagt, dass wir fünf Personen waren.
Der Veranstalter erlaubte an diesem Tag das erste mal aufs Wasser zu gehen, da die Zeitlimits allerdings so knapp waren und wir so lange am Boot gebraucht haben waren wir nicht mal 45 Minuten draußen. Was in Zusammenhang mit der mühseligen Hafenausfahrt eine effektive Trainingszeit von weniger als 20 Minuten bedeutet hat.
Am 10. Juli ging es mit der Regatta los. Für die 420er waren jeden Tag zwei Rennen angesetzt. Für uns wechselten sich die Startzeiten mit den Damen immer ab , jeweils waren wir um 11:00 und 14:00 dran. Am ersten Tag ging es für uns früh los. Wir waren angespannt, denn wir wussten ja wirklich nicht was uns erwarten würde, so ganz ohne Training. Der Auftakt und damit der Sprung ins Kalte Nordseewasser ist uns nur bedingt gelungen. Mit einem 16. und dann einem 6. aber immerhin eine Steigerung im Ergebnis. Der zweite Tag brachte uns ähnliche Ergebnisse. Mit wieder einem 16. Platz und einem 7. waren wir insgesamt auf Platz 11. Nach 2 Tagen in diesem sehr starken Feld war klar, dass unser Ziel in die Top-10 zu kommen noch realistisch ist. Doch auch nicht viel weiter nach vorne, denn die Windprognose blieb schwach. Dass der Strom eine große Rolle spielen sollte, wurde uns bereits oft gesagt. Den Einfluss der Tide dann aber selber zu erleben, war dann noch einmal eine ganz andere Geschichte. Oft gab es Momente in denen durch den Strom Boote an den Bahnmarken vorbei getrieben sind. Uns hat es auch zwei mal erwischt, denn einmal verloren wir so vor dem Ziel 4 Boote. Ein anderes mal an der Luvtonne locker 12. Ebenso konnten wir von solchen Situationen profitieren. Zum Beispiel als Spanier, Portugiesen und Argentinier vor uns das Gate verpassten. An Tag 3 folgte unser emotionaler Tiefpunkt. In beiden Läufen lief es überhaupt nicht und wir sind im Ranking bis auf Platz 16 abgerutscht. Abends haben wir uns vom Rest des Teams ausgeklinkt und versucht neue Motivation zu schöpfen. Hat funktioniert, denn im nächsten Lauf direkt einen vierten und wir waren wieder auf Kurs. Insgesamt waren wir nach Tag 4 dann wieder auf Platz 14, hatten nur leider einige Punkte nach vorne. Letzter Tag, wir haben nichts mehr zu verlieren. So die Devise. Irgendwie passte dann auch alles zusammen. Bei uns gibt es so Tage, an denen einfach alles zusammenkommt. Das Negative zwei Tage zuvor. Nun alles Positive. Schon im Schleppverband zusammen mit den anderen Nationen (ohne hätten wir es durch die Strömung nicht zur Regattabahn geschafft) sind direkt vor uns Wale aufgetaucht. Davor ist uns ein 40 cm großer Fisch in die Fock gesprungen, der dann noch ein Kunststück auf unserem Vordeck ausführte. Der Start zum letzten Rennen war wieder einmal geprägt von extrem starker Strömung. Wir haben ihn ganz okay erwischt und sind dann auf die richtige Seite rausgefahren. Wer das Bild betrachtet, dem fällt auf, dass auch die besten 420er Segler der Welt gegen die Strömung verzweifeln können. Das Team Israel, welches zu diesem Zeitpunkt noch auf Weltmeisterkurs war, kommt erst eine Minute nach Start über die Linie und vergibt hier den Titel an das Team USA.
Das Rennen lief für uns echt gut und wir wurden erneut 4. Damit konnten wir den Abstand auf die 3 vor uns zwar auf 6 Punkte verkürzen, blieben aber leider gesamt noch auf 14.
Für uns ging eine aufregende Woche mit Tiefpunkten, aber auch vielen einprägsamen und schönen Momenten vorbei. Die schönen Momente waren neben den guten Läufen hauptsächlich geprägt von all den neuen Kontakten die wir knüpfen durften. Nicht nur ist uns das deutsche Team ans Herz gewachsen, wir konnten auch international viele neue Leute kennenlernen und uns mit anderen Nationen vernetzen. Bei der Siegerehrung gab es für uns eine Menge zu feiern. Auch wenn wir mit unserer eigenen Leistung nicht zufrieden waren, hat das Deutsche Team etwas besonderes erreicht.
Noch nie war Team Deutschland so erfolgreich wie bei diesen Youth Worlds. Unser Damenteam mit Amelie Wehrle und Amelie Rinn krönte ihr Event mit einem unfassbar guten 2. Platz, nachdem sie lange sogar auf Weltmeisterkurs waren. Ole Schweckendiek, der auch sonst im ILCA alles in Grund und Boden fährt, ersegelte sich die Bronzemedaille, mit nur einem Punkt Abstand zum ersten. Auch Amaya ist mit ihrem 7. Platz im ILCA eine super Regatta gefahren, bei der sie sich nach einem schwierigen Start gewaltig nach vorne arbeiten konnte. Im 29er verpassten Jule Ernst und Louisa Schmidt nur knapp das Podium und wurden 4. Anton und Johann Sach wurden 7. im 29er Herrenfeld. Auch unsere Surfer waren erfolgreich. Sophia Meyer und Jan Vöster waren im IQfoil und dem FormulaKite mit Platz 9 und 6 beide in den Top 10 vertreten.
Auch wenn wir uns eine andere Platzierung erwünscht hätten, werden wir nichts von dem Erlebten so schnell vergessen. Wir haben sehr, sehr viel lernen dürfen und haben die Zeit in den Niederlanden sehr genießen können. Unser Dank gilt vor allem dem DSV, der uns bei diesem Event von Anfang an sehr gut unterstützt hat. Außerdem Danke an Leon Delle, Jakob Janich und Silke Basedow, die uns vor Ort sehr gut unterstützt haben. Natürlich auch ein Dankeschön an all die anderen, die uns von Anfang unterstützt haben und uns den Weg zu diesem Event überhaupt erst ermöglicht haben.
Theo Gnass