Wasservögel oder Wassersport – oder beides?

Es betrifft nur einen kleinen, meist flachen Auenstreifen am Rhein, bevor er hinter Rüdesheim wieder Richtung Norden abbiegt. Also für Segler anderswo nicht weiter relevant. Oder vielleicht doch? Denn was hier passiert ist, könnte sich in jedem anderen Segelrevier auch ereignen:

Ende Juli 2024 spricht die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Rheinland-Pfalz, ohne Vorwarnung oder gar Anhörung Betroffener ein völliges Befahrensverbot aus für die Stillgewässer Fulder Aue und Ilmenaue (Rheinkilometer 520,50 bis 525,30), die in einem Naturschutzgebiet liegen. Begründung: Schutz der Brut-, Zug-, und Rastvogelarten. Das löst bei Wassersportvereinen und privaten Nutzern der Umgebung einen Proteststurm aus. Denn vor allem Ruderer, Kanuten, SUPs und sogar die DLRG nutzen diese strömungsarmen Gewässer fürs Training, Segler und Motorbootfahrer finden hinter der Ilmenaue „… sehr schöne und schwellfreie Ankerplätze“ (Manfred Fenzl, „Der Rhein“). Segeltraining des RYC mit Kindern in Optimisten findet hier auch ca. 3–4-mal im Jahr statt, da das Stillgewässer im Rüdesheimer Hafen viel zu eng und von Baumalleen umringt ist (drehende Winde). Besonders erwähnenswert: Ein Ruderverein (WSV Geisenheim) kooperiert mit dem Gymnasium in Geisenheim, die Wahlpflichtkurse der Oberstufe finden in diesem Stillgewässer statt. Bislang war dieses Gebiet nur in den Wintermonaten gesperrt.

Auf Nachfrage wird dieses plötzliche Total-Verbot von einer Referatsleiterin der Oberen Naturschutzbehörde (Rheinland-Pfalz) begründet mit Hinweisen von Naturschützern auf Verstöße gegen gültige Verordnungen, ohne allerdings konkrete Verstöße zu nennen. Die Obere Naturschutzbehörde versucht bereits seit zwei Jahren beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr ein Befahrensverbot mit Hinweis auf Vogelschutz durchzusetzen. Bislang erfolglos.

Aber: Mit diesem Verbot verlieren benachbarte Ruder-, Kanu- und Segelvereine ein in diesem Gebiet einzig erreichbares Stillwasser-Revier. Damit gehen auch Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche verloren; den Wassersportvereinen wird damit ihre Existenz entzogen, sie stehen buchstäblich vor dem Aus. Entferntere Stillgewässer ohne Motor anzusteuern, ist angesichts des dichten Berufs-Schiffsverkehrs und der Strömung auf diesem Rheinabschnitt viel zu gefährlich, ohne starken Maschinenantrieb sind andere Gebiete aufgrund der Entfernung nicht erreichbar. Unabhängig davon sind auch direkte Anlieger der Auen betroffen, die das Gebiet für Freizeitgestaltung und Erholung nutzen.

Inzwischen

  • wird juristisch die Zuständigkeit der entsprechenden Behörde für das Verfahrensverbot angezweifelt,
  • wurde eine Petition gestartet, die nach nur zwölf Tagen bereits nahezu 1500 Unterschriften gewinnt (mitmachen und unterschreiben: https://www.change.org/Inselrhein),
  • hat sich die Interessengemeinschaft Inselrhein gebildet, die die Interessen von Wassersportvereinen, Verbänden, Kommunen, Schulen und weiteren Anliegern wahrnimmt, die die Auen vor ihrer Haustür seit Jahren für Wassersport nutzen und das auch weiter tun wollen.

Die Interessengemeinschaft Inselrhein weist Besonderheiten auf, die vielleicht derzeit noch einzigartig in Deutschland sind: In ihr haben sich in einem losen Verbund Wassersportvereine und -Verbände mit völlig unterschiedlichen Sportarten vereinigt (Kanu, Rudern Segeln, SUP, Motorboot), dazu auch Kommunen, Schulen und private Anlieger (Wassersportler ohne Verein, aber auch ein Inselbesitzer, eine Bootsschule und ein Mietbootverleih mit Bootsschule). Zudem agiert die Interessengemeinschaft länderübergreifend in Rheinland-Pfalz und Hessen, links und rechts des Rheins. Sie alle vereint das Ziel, in den betroffenen Auen auch weiterhin Wassersport, Freizeitgestaltung und Erholung betreiben zu können bei rücksichtsvollem Umgang mit der Natur.

Auf der anderen Seite stehen Naturschutzbehörden, mächtige Naturschutzorganisationen wie NABU und BUND, regional vertretene Naturschutzvereinigungen, Ornithologen und einzelne Naturschützer. Sie warten mit einer Reihe von Gutachten und Beispielsfällen auf, die darlegen sollen, wie sehr sich seltene Brut-, Zug-, und Rastvogelarten schon bei einer Annäherung von mehreren hundert Metern gestört fühlen, was zu Problemen bei der Aufzucht junger Vögel und damit auch zu einer natürlichen Vogel-Population führe.

Ob diese Gutachten auch für das betroffene Gebiet gelten können, darf zumindest angezweifelt werden. Denn keines der untersuchten Gebiete weist auch nur annähernd so viele bereits gegebene Störungen auf, wie in der Ilmenaue und die Fulder Aue: Sie sind nur durch einen schmalen Damm vom Rhein getrennt, bei dem alle möglichen Schiffe und Boote im Vorbeifahren heftig und pausenlos Wellenschlag und Lärm verursachen. Zudem tangiert eine vielbefahrene Bahnstrecke das Gebiet und es liegt in der Einflugschneise des Flughafen Frankfurts. Zusätzliche Störquellen sind Helikopter der amerikanischen Streitkräfte, die das Gebiet regelmäßig laut knatternd im Tiefflug überfliegen.

Ganz offensichtlich haben sich Zug- und andere Wasservögel davon bislang überhaupt nicht stören lassen, dort dennoch zu rasten und eine Übernachtungspause einzulegen oder ihren Nachwuchs aufzuziehen.

Schiffe, Bahn und Flugzeuge als Störquellen auszuschalten, um nun auch Vogelarten dort heimisch werden zu lassen, die das Gebiet bislang vermieden haben, dieses Ziel dürfte auch für große Naturschutz-Organisationen unerreichbar sein. Wassersportler auszusperren, die ja bislang keine Lobby haben, scheint erfolgsträchtiger. Umso wichtiger erscheint es, dass sich nun in der Interessengemeinschaft Inselrhein viele Anlieger zusammengeschlossen haben, um wenigstens in der Region ein spürbares Gegengewicht zu großen Natur-Lobbyisten zu bilden.

Der Streit um die Sperrung während der Sommermonate mag sich – auch wegen der juristischen Auseinandersetzung – hinziehen. Und ein wichtiger Player hat sich da noch gar nicht geäußert: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Denn die Ilmenaue und die Fulder Aue sind Wasserstraßen. Und über das Befahren der Gewässer entscheidet letztlich das Verkehrsministerium.

Claus von Kutzschenbach, Pressesprecher Interessengemeinschaft Inselrhein

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