Yachtsegler und Windjammersegler finden zusammen

Der „Hessische Lloyd“ nennt sich mit einiger Ironie „Hessens größte Hochseereederei“. Er veranstaltet Reisen mit Großseglern auf der Ostsee. Dabei wird „Training für Yachtsegler“ angeboten: Die Nautiker und Maschinisten aus der Berufsseefahrt verraten Tricks und Kniffe. Ein Dozent der Seefahrtsschule Bremen hält Vorträge übers Ankern, über Wellen und zur Physik von Schiffsrümpfen. Wer an der Reise teilnimmt, kann unter professioneller Anleitung Positionen bestimmen, Kurse absetzen, Radar bedienen und Funkpraxis üben. Auf den Großseglern stehen professionelle nautische Geräte zur Verfügung und können auch von Amateuren benutzt werden.

Der Hessische Lloyd begann vor fünfzehn Jahren mit Reisen für Windjammer- Segler. Dazu kommen Sportseglerinnen und Laien ohne Vorkenntnisse. Die meisten deutschen Großsegler sind in der pädagogischen Jugendsegelei tätig. „Wir finden erlebnispädagogische Jugendreisen auf Großseglern grundsätzlich wunderbar,“ sagt HL- Gründer Ingo Nathusius aus Frankfurt am Main, „aber irgendwann merkten ich und mein maritimer Freundeskreis, dass wir im Urlaub Urlaub machen wollen und nicht immerzu pädagogisch verbessert werden wollten. Wer bei uns mitfährt, muss mindestens 18 Jahre alt sein und wird nicht erzogen“.

Der Hessische Lloyd chartert Großsegler, die sonst in der Jugendsegelei eingesetzt werden, und bereedert sie selbst. „Wir haben in unserem Kreis Kapitäne, Steuerleute, Maschinisten, Schiffsärzte und Bootsleute, die Spaß daran haben, mit Erwachsenen umzugehen“, sagt Steffi Heck, die beim HL als Bootsfrau unterwegs ist. „Dass wir mit unserer Charterrate und manchmal auch mit Arbeitseinsätzen die Jugendsegelei unterstützen, freut uns. Aber ehrlich gesagt, freuen wir uns noch mehr über die nautischen Erlebnisse und die Naturerfahrungen auf hoher See“.

Klar zum Manöver!

Mit den Jahren kamen immer mehr Yachtsegler zum Hessischen Lloyd. Umgekehrt fanden die Gründer auch Geschmack am Jollen- und Yachtsegeln. Das lief über Segelführerscheine, die bei Amateuren in der Großsegelei begehrt sind: Wer sich dort als Steuermann oder -frau qualifizieren will, braucht mindestens den Sportseeschifferschein. Dieser gehobene Yachtschein und eine Zusatzausbildung führen an die Seite professioneller Nautiker auf die Brücke von Windjammern. 

„Wir haben gemerkt: Yachten sind nicht nur Plastikeimer und Yachtsegler sind keine ahnungslosen Trottel“, sagt Nathusius, „und sind schließlich Mitglied im Hessischen Seglerverband geworden“. Weil Corona Reisen von zwei, drei Dutzend Leuten auf einem Großsegler verhinderte, veranstaltete der HL vergangenes Jahr Flottillensegeln mit Charteryachten und kleinen Besatzungen. „Da haben auch unsere Berufsseeleute erfahren, dass es einer besonderen Qualifikation bedarf, Yachten zu manövrieren“, berichtet Sabine Renken aus Frankfurt am Main, die beim Hessischen Lloyd „Yoga unter Segeln“ anbietet.

Morgens wird eine halbe Stunde lang „Yoga unter Segeln“ angeboten.

Umgekehrt beobachtet der Hessische Lloyd steigendes Interesse unter Skippern an professioneller Unterweisung. „Bei der letzten Großsegler- Reise war einer unserer Steuerleute nach der Nachtwache völlig fertig“, erzählt Nathusius, „Seine Leute haben die Nachtfahrt ausgenutzt, um in Ruhe mal alles zu machen: Dauernd Positionen bestimmt, Kurs verbessert, Segelstellung verändert, Radar beobachtet, Tiefenlinien gezeichnet, den Psychrometer geschleudert, das AIS im letzten Detail ausgewertet – was weiß ich noch!“.

Zwar sind auch Großsegler keine Turnhallen. Im Vergleich zu Yachten geht es aber geräumig und bequem zu. Die Kojen sind groß genug und zugänglich, es gibt richtige Toiletten und Duschen. „Und wir kochen auf hohem Niveau und täglich frisch“, sagt Schiffskoch Hans Reiffert, „Wenn so ein Schiff bauartbedingt schon ein wenig Jugendherbergs- Atmosphäre hat, wollen wir wenigstens kultiviert essen“.

IN

Signifikante Wellenhöhe? Wellenlänge? Grundseeen? Das war doch was… Kapitän AG Kai Ebert erklärt, was Segler über Wellen wissen müssen.